Landau: Kapitel 19: Unterschied zwischen den Versionen

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='''19. Kantenspiel: Allgemeine Konzepte und Aufbau von Kanten'''=


'''Allgemeine Konzepte:'''
Wenn sich das Ende der Eröffnungsphase von „Othello“ nähert, stehen die Spieler unweigerlich vor der Entscheidung, ob sie ein Kantenfeld besetzen sollen oder nicht. Dies wirft eines der komplexeren Probleme in ganz Othello auf. In den nächsten beiden Abschnitten finden Sie einige nützliche allgemeine Richtlinien für den Umgang mit diesem Problem.
Wie bereits erwähnt (siehe [[Landau:_Kapitel_1|Kapitel 1]] bis [[Landau:_Kapitel_5|Kapitel 5]]), ist es für Spieler, die sich der Zugbeschränkungsstrategie nicht bewusst sind, oft das Beste, Randfelder so schnell und so oft wie möglich einzunehmen. Es stimmt zwar, dass für den Sieg in der Regel der endgültige Besitz zumindest einiger Randfelder erforderlich ist, doch dieses Konzept des „Ansturms an den Rand“ ist eindeutig in Misskredit geraten. Tatsächlich glauben einige erfahrene Spieler, dass es am besten ist, das Einnehmen von Randquadraten so lange wie möglich zu vermeiden. Aus dieser Sicht neigen Randquadratzüge dazu, später im Spiel zu Belastungen zu werden (indem sie ansonsten gute Züge vergiften usw.). Persönlich würde ich von beiden Extremen abraten. Tatsächlich haben Randquadratbewegungen mindestens einen entscheidenden Vorteil: Es gibt weniger Möglichkeiten, ein Randstück umzudrehen als ein Innenstück. Daher kann der richtige und umsichtige Einsatz von Randbewegungen dazu beitragen, die Bewegungsbegrenzung zu fördern. Außerdem ist es für Sie oft viel wünschenswerter, wenn Ihr Gegner erst einmal eine Kante erreicht hat. Erinnern Sie sich abschließend daran, dass wir zuvor eine spezielle Technik zur Steigerung des Tempos besprochen haben: „An der Kante entlang kriechen“ (siehe Punkte Nr. 5 und Nr. 16).
Der Einfachheit halber konzentrieren sich unsere Diskussionen normalerweise immer nur auf jeweils eine Kante, relativ isoliert vom Rest der Platine. Beachten Sie jedoch, dass Randbewegungen in einem echten Spiel nach allgemeinen Grundsätzen und im Kontext des gesamten Spielbretts – des Innenbereichs sowie der anderen drei Ränder – bewertet werden müssen. In Diagramm 77 beispielsweise entscheidet sich Schwarz für den Randzug nach a4. Der Hauptgrund für diese Entscheidung war nicht eine besondere Eigenschaft des Westrandes, sondern die Tatsache, dass er durch das Umdrehen von c4 einen vollkommen ruhigen Zug (siehe Punkt #15) nach e6 ermöglichte. Ein Randzug nach a3 oder a5 oder fast jeder andere Zug ohne Rand hätte dies nicht erreicht. In anderen Fällen wird die Auswahl der Randbewegungen in erster Linie durch die Anzahl der umgedrehten Nicht-Randscheiben bestimmt (z. B. Diagramm 77 sowie Diagramme 7, 8 und 9 in Punkt 3).
Es gibt zwei Hauptziele, die über die allgemeine Bewegungsbegrenzungsstrategie hinausgehen und die man im Hinterkopf behalten sollte, wenn man sich entscheidet, an eine Kante zu gehen (bevor Ecken besetzt werden):
1. Versuchen Sie, der letzte Spieler zu sein, der eine sichere Bewegung entlang der Kante ausführen kann (z. B. entlang der Kante ein Tempo erhöhen). Versuchen Sie in ähnlicher Weise, mehr Bewegungen entlang einer Kante auszuführen als Ihr Gegner.
2. Versuchen Sie, eine gewünschte endgültige Kantenposition zu erreichen, oder zwingen Sie Ihren Gegner, eine unerwünschte Position einzunehmen (z. B. eine unausgeglichene Kante).
Diese beiden Punkte werden im Mittelpunkt der folgenden Diskussion stehen. Oft stehen diese beiden Konzepte, Tempo vs. Position, im Widerspruch (z. B. geht eine Bewegung, die das Tempo erhöht, den Positionsvorteil verloren). Eine wichtige Entscheidung wird sein, wie dieser Konflikt am besten gelöst werden kann.
Einen Edge initiieren. Der Spieler, der sich zuerst zu einer Kante bewegt, soll die Kante initiieren. In diesem Abschnitt konzentrieren wir uns auf einige kantenspezifische Faktoren (im Gegensatz zu den allgemeineren Überlegungen), die dabei helfen, zu bestimmen, wann ein Kantenquadrat besetzt werden soll. Im Allgemeinen ist es eine schlechte Wahl, eine Kante zu initiieren, indem man zu einem C-Quadrat geht (siehe Punkt Nr. 6). Aber wie entscheidet ein Spieler unter der Annahme einer Wahl, wann ein Randzug ratsam ist und welcher Randfeldzug (unter den verfügbaren A- und B-Feldern) der beste ist? Hier muss es bei der Entscheidung darum gehen, zumindest ein wenig über den Tellerrand hinauszuschauen. In Diagramm 78 erwägt Weiß beispielsweise einen Zug auf das A-Feld c1. Dies ist wahrscheinlich eine schlechte Wahl, da dadurch sowohl c2 als auch d2 umgedreht werden, wodurch Weiß von allen weiteren Zügen zum Nordrand völlig ausgeschlossen wird. Vergleichen Sie dies mit dem Zug auf das A-Feld h6. Hier dreht der Zug g5 um, aber nicht g6 (da die sechste Reihe ganz aus Schwarz besteht). Weiß behält weiterhin Zugriff auf h7 (was entscheidend sein könnte, um später einen unausgeglichenen Vorteil zu vermeiden) sowie weiterhin Zugriff auf h3 oder h4. Wenn Weiß schließlich der Meinung wäre, dass es wichtig sei, sich an die Nordkante zu bewegen, wäre d1 (ein B-Feld) wahrscheinlich c1 vorzuziehen (da d1 nur die nicht an der Kante liegende Scheibe d2 umdreht). Welches ist die beste Wahl? Entschuldigung, aber hier gibt es keine klare Antwort (insbesondere angesichts dieser begrenzten Analyse). Tatsächlich ist nicht einmal klar, dass hier ein Randzug erforderlich ist: Viele Experten würden b5 als den besten Zug wählen. Denn da Schwarz keinen Zugang zu b6 hat, eröffnet der Zug von Weiß nach b5 keine offensichtlich guten Züge für Schwarz. Der Druck liegt jetzt auf Schwarz. Da sich selbst Experten über den besten Zug in solchen Stellungen uneinig sind, verläuft jede Othello-Partie anders.
Ein weiteres Beispiel (Abbildung 79) präsentiert eine weniger eindeutige Auswahl an Auswahlmöglichkeiten. Es ist Weiß zu spielen. Beachten Sie die relativen Vorteile eines Zuges nach a6 gegenüber h6. Der a6-Zug ermöglicht eine einfache a4-Antwort für Schwarz. Weiß hat nichts gewonnen: weder Tempo noch Positionsvorteil. Dagegen sieht der h6-Zug deutlich besser aus: Schwarz kann nicht mit h4 antworten. Wenn Schwarz mit h5 antwortet, fährt Weiß mit h4 fort (und gewinnt mit sehr geringem positionellem Aufwand an Tempo). In beiden Fällen ist Schwarz nun gezwungen, an die Nordkante zu ziehen, was zu einer Schwächung seiner Stellung führt.
[Ein kleiner Exkurs: Ein Leitfaden bei der Auswahl alternativer Randbewegungen (wie immer!) besteht darin, die beste Reaktion Ihres Gegners und Ihre anschließende Reaktion darauf zu antizipieren (d. h. im Voraus zu planen!). Wenn wir also zunächst auf Diagramm 77 zurückkommen, bemerken wir einen bisher unerwähnten Vorteil des schwarzen Zugs nach a4: Er behält einen Tempovorteil entlang der Westkante für Schwarz bei. Das heißt, dass die einzigen möglichen Antworten von Weiß auf a4 am westlichen Rand auf die benachbarten Felder von a3 oder a5 gerichtet sind (in diesem Fall hat Weiß nicht einmal Zugriff auf a5). In beiden Fällen könnte Schwarz in seinem nächsten Zug die weiße Scheibe umdrehen (z. B. Weiß – a3; Schwarz – a2), sodass Weiß am Rand keine weiteren Züge mehr hätte. Der a4-Zug von Schwarz hat jedoch auch seine Probleme: Durch das Umdrehen von drei inneren Scheiben (b4, c4 und d4) verringert er die zukünftige Mobilität von Schwarz und eröffnet möglicherweise neue gute Züge für Weiß. Wenn Weiß außerdem mit 16. a3 fortfährt, muss sich Schwarz entscheiden, ob er das Tempo aufgeben oder zu Beginn des Spiels einen schwachen C-Quadrat-Zug (a2) ausführen möchte.
Der Zug von Schwarz nach a4 im 15. Zug wird als „Frontalangriff“ bezeichnet. Vergleichen Sie dies mit der Situation, wenn Schwarz stattdessen zu a5 gegangen wäre (die Kante „diagonal“ oder „schräg“ genommen hätte). Jetzt kann Weiß mit a3 antworten und Schwarz gewinnt nicht mehr an Tempo. Tatsächlich könnte Weiß a4 gegenüber a3 vorziehen. Während dies Schwarz die Möglichkeit gibt, schneller nach a3 zu ziehen, ist es unwahrscheinlich, dass Schwarz es eilig hat, a3 zu schlagen. Der Zug hat den unerwünschten Effekt, dass die Scheiben bei b4 und c5 umgedreht werden, und führt Schwarz zu einem möglichen Überangebot an Randscheiben, die Züge vergiften und später im Spiel eine Belastung für die Beweglichkeit darstellen können. Aber wenn Schwarz nicht a3 nimmt, kann Weiß mit a6 weitermachen!
Die Reaktion von Weiß mit a3 (Tempo) auf 15. a5 wird manchmal als „amerikanischer“ Stil des Randspiels bezeichnet, während die Reaktion mit a4 (Position) als „europäischer“ Stil bezeichnet wird. Man kann nicht davon ausgehen, dass immer einer der Stile zu bevorzugen ist. In ähnlicher Weise scheint es für Schwarz in dieser Stellung besser zu sein, die Kante frontal zu ergreifen (15. a4) als die a5-Wahl (Abbildung 77), obwohl es auch andere Stellungen gibt, bei denen die diagonale Kantenübernahme vorzuziehen wäre.]
Was ist also wichtiger: Tempo erhöhen oder eine schwache Kantenposition vermeiden? Eine Kante oder ein Innenquadrat nehmen? Eine Kante frontal oder schräg nehmen? Zu viele Randquadrate nehmen oder zu wenig? Ein Randfeld neben der gegnerischen Scheibe oder vom Gegner weg nehmen? Wir haben gesehen, dass die Antwort auf diese Fragen unbefriedigend ist: Es kommt darauf an. In diesem Abschnitt werden die für diese Entscheidungen relevanten Aspekte detailliert beschrieben. Danach wird Erfahrung der beste Lehrer sein.


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Version vom 6. Januar 2024, 16:55 Uhr

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19. Kantenspiel: Allgemeine Konzepte und Aufbau von Kanten

Allgemeine Konzepte:

Wenn sich das Ende der Eröffnungsphase von „Othello“ nähert, stehen die Spieler unweigerlich vor der Entscheidung, ob sie ein Kantenfeld besetzen sollen oder nicht. Dies wirft eines der komplexeren Probleme in ganz Othello auf. In den nächsten beiden Abschnitten finden Sie einige nützliche allgemeine Richtlinien für den Umgang mit diesem Problem.


Wie bereits erwähnt (siehe Kapitel 1 bis Kapitel 5), ist es für Spieler, die sich der Zugbeschränkungsstrategie nicht bewusst sind, oft das Beste, Randfelder so schnell und so oft wie möglich einzunehmen. Es stimmt zwar, dass für den Sieg in der Regel der endgültige Besitz zumindest einiger Randfelder erforderlich ist, doch dieses Konzept des „Ansturms an den Rand“ ist eindeutig in Misskredit geraten. Tatsächlich glauben einige erfahrene Spieler, dass es am besten ist, das Einnehmen von Randquadraten so lange wie möglich zu vermeiden. Aus dieser Sicht neigen Randquadratzüge dazu, später im Spiel zu Belastungen zu werden (indem sie ansonsten gute Züge vergiften usw.). Persönlich würde ich von beiden Extremen abraten. Tatsächlich haben Randquadratbewegungen mindestens einen entscheidenden Vorteil: Es gibt weniger Möglichkeiten, ein Randstück umzudrehen als ein Innenstück. Daher kann der richtige und umsichtige Einsatz von Randbewegungen dazu beitragen, die Bewegungsbegrenzung zu fördern. Außerdem ist es für Sie oft viel wünschenswerter, wenn Ihr Gegner erst einmal eine Kante erreicht hat. Erinnern Sie sich abschließend daran, dass wir zuvor eine spezielle Technik zur Steigerung des Tempos besprochen haben: „An der Kante entlang kriechen“ (siehe Punkte Nr. 5 und Nr. 16).


Der Einfachheit halber konzentrieren sich unsere Diskussionen normalerweise immer nur auf jeweils eine Kante, relativ isoliert vom Rest der Platine. Beachten Sie jedoch, dass Randbewegungen in einem echten Spiel nach allgemeinen Grundsätzen und im Kontext des gesamten Spielbretts – des Innenbereichs sowie der anderen drei Ränder – bewertet werden müssen. In Diagramm 77 beispielsweise entscheidet sich Schwarz für den Randzug nach a4. Der Hauptgrund für diese Entscheidung war nicht eine besondere Eigenschaft des Westrandes, sondern die Tatsache, dass er durch das Umdrehen von c4 einen vollkommen ruhigen Zug (siehe Punkt #15) nach e6 ermöglichte. Ein Randzug nach a3 oder a5 oder fast jeder andere Zug ohne Rand hätte dies nicht erreicht. In anderen Fällen wird die Auswahl der Randbewegungen in erster Linie durch die Anzahl der umgedrehten Nicht-Randscheiben bestimmt (z. B. Diagramm 77 sowie Diagramme 7, 8 und 9 in Punkt 3).


Es gibt zwei Hauptziele, die über die allgemeine Bewegungsbegrenzungsstrategie hinausgehen und die man im Hinterkopf behalten sollte, wenn man sich entscheidet, an eine Kante zu gehen (bevor Ecken besetzt werden): 1. Versuchen Sie, der letzte Spieler zu sein, der eine sichere Bewegung entlang der Kante ausführen kann (z. B. entlang der Kante ein Tempo erhöhen). Versuchen Sie in ähnlicher Weise, mehr Bewegungen entlang einer Kante auszuführen als Ihr Gegner. 2. Versuchen Sie, eine gewünschte endgültige Kantenposition zu erreichen, oder zwingen Sie Ihren Gegner, eine unerwünschte Position einzunehmen (z. B. eine unausgeglichene Kante). Diese beiden Punkte werden im Mittelpunkt der folgenden Diskussion stehen. Oft stehen diese beiden Konzepte, Tempo vs. Position, im Widerspruch (z. B. geht eine Bewegung, die das Tempo erhöht, den Positionsvorteil verloren). Eine wichtige Entscheidung wird sein, wie dieser Konflikt am besten gelöst werden kann.


Einen Edge initiieren. Der Spieler, der sich zuerst zu einer Kante bewegt, soll die Kante initiieren. In diesem Abschnitt konzentrieren wir uns auf einige kantenspezifische Faktoren (im Gegensatz zu den allgemeineren Überlegungen), die dabei helfen, zu bestimmen, wann ein Kantenquadrat besetzt werden soll. Im Allgemeinen ist es eine schlechte Wahl, eine Kante zu initiieren, indem man zu einem C-Quadrat geht (siehe Punkt Nr. 6). Aber wie entscheidet ein Spieler unter der Annahme einer Wahl, wann ein Randzug ratsam ist und welcher Randfeldzug (unter den verfügbaren A- und B-Feldern) der beste ist? Hier muss es bei der Entscheidung darum gehen, zumindest ein wenig über den Tellerrand hinauszuschauen. In Diagramm 78 erwägt Weiß beispielsweise einen Zug auf das A-Feld c1. Dies ist wahrscheinlich eine schlechte Wahl, da dadurch sowohl c2 als auch d2 umgedreht werden, wodurch Weiß von allen weiteren Zügen zum Nordrand völlig ausgeschlossen wird. Vergleichen Sie dies mit dem Zug auf das A-Feld h6. Hier dreht der Zug g5 um, aber nicht g6 (da die sechste Reihe ganz aus Schwarz besteht). Weiß behält weiterhin Zugriff auf h7 (was entscheidend sein könnte, um später einen unausgeglichenen Vorteil zu vermeiden) sowie weiterhin Zugriff auf h3 oder h4. Wenn Weiß schließlich der Meinung wäre, dass es wichtig sei, sich an die Nordkante zu bewegen, wäre d1 (ein B-Feld) wahrscheinlich c1 vorzuziehen (da d1 nur die nicht an der Kante liegende Scheibe d2 umdreht). Welches ist die beste Wahl? Entschuldigung, aber hier gibt es keine klare Antwort (insbesondere angesichts dieser begrenzten Analyse). Tatsächlich ist nicht einmal klar, dass hier ein Randzug erforderlich ist: Viele Experten würden b5 als den besten Zug wählen. Denn da Schwarz keinen Zugang zu b6 hat, eröffnet der Zug von Weiß nach b5 keine offensichtlich guten Züge für Schwarz. Der Druck liegt jetzt auf Schwarz. Da sich selbst Experten über den besten Zug in solchen Stellungen uneinig sind, verläuft jede Othello-Partie anders.


Ein weiteres Beispiel (Abbildung 79) präsentiert eine weniger eindeutige Auswahl an Auswahlmöglichkeiten. Es ist Weiß zu spielen. Beachten Sie die relativen Vorteile eines Zuges nach a6 gegenüber h6. Der a6-Zug ermöglicht eine einfache a4-Antwort für Schwarz. Weiß hat nichts gewonnen: weder Tempo noch Positionsvorteil. Dagegen sieht der h6-Zug deutlich besser aus: Schwarz kann nicht mit h4 antworten. Wenn Schwarz mit h5 antwortet, fährt Weiß mit h4 fort (und gewinnt mit sehr geringem positionellem Aufwand an Tempo). In beiden Fällen ist Schwarz nun gezwungen, an die Nordkante zu ziehen, was zu einer Schwächung seiner Stellung führt.


[Ein kleiner Exkurs: Ein Leitfaden bei der Auswahl alternativer Randbewegungen (wie immer!) besteht darin, die beste Reaktion Ihres Gegners und Ihre anschließende Reaktion darauf zu antizipieren (d. h. im Voraus zu planen!). Wenn wir also zunächst auf Diagramm 77 zurückkommen, bemerken wir einen bisher unerwähnten Vorteil des schwarzen Zugs nach a4: Er behält einen Tempovorteil entlang der Westkante für Schwarz bei. Das heißt, dass die einzigen möglichen Antworten von Weiß auf a4 am westlichen Rand auf die benachbarten Felder von a3 oder a5 gerichtet sind (in diesem Fall hat Weiß nicht einmal Zugriff auf a5). In beiden Fällen könnte Schwarz in seinem nächsten Zug die weiße Scheibe umdrehen (z. B. Weiß – a3; Schwarz – a2), sodass Weiß am Rand keine weiteren Züge mehr hätte. Der a4-Zug von Schwarz hat jedoch auch seine Probleme: Durch das Umdrehen von drei inneren Scheiben (b4, c4 und d4) verringert er die zukünftige Mobilität von Schwarz und eröffnet möglicherweise neue gute Züge für Weiß. Wenn Weiß außerdem mit 16. a3 fortfährt, muss sich Schwarz entscheiden, ob er das Tempo aufgeben oder zu Beginn des Spiels einen schwachen C-Quadrat-Zug (a2) ausführen möchte.


Der Zug von Schwarz nach a4 im 15. Zug wird als „Frontalangriff“ bezeichnet. Vergleichen Sie dies mit der Situation, wenn Schwarz stattdessen zu a5 gegangen wäre (die Kante „diagonal“ oder „schräg“ genommen hätte). Jetzt kann Weiß mit a3 antworten und Schwarz gewinnt nicht mehr an Tempo. Tatsächlich könnte Weiß a4 gegenüber a3 vorziehen. Während dies Schwarz die Möglichkeit gibt, schneller nach a3 zu ziehen, ist es unwahrscheinlich, dass Schwarz es eilig hat, a3 zu schlagen. Der Zug hat den unerwünschten Effekt, dass die Scheiben bei b4 und c5 umgedreht werden, und führt Schwarz zu einem möglichen Überangebot an Randscheiben, die Züge vergiften und später im Spiel eine Belastung für die Beweglichkeit darstellen können. Aber wenn Schwarz nicht a3 nimmt, kann Weiß mit a6 weitermachen!


Die Reaktion von Weiß mit a3 (Tempo) auf 15. a5 wird manchmal als „amerikanischer“ Stil des Randspiels bezeichnet, während die Reaktion mit a4 (Position) als „europäischer“ Stil bezeichnet wird. Man kann nicht davon ausgehen, dass immer einer der Stile zu bevorzugen ist. In ähnlicher Weise scheint es für Schwarz in dieser Stellung besser zu sein, die Kante frontal zu ergreifen (15. a4) als die a5-Wahl (Abbildung 77), obwohl es auch andere Stellungen gibt, bei denen die diagonale Kantenübernahme vorzuziehen wäre.]


Was ist also wichtiger: Tempo erhöhen oder eine schwache Kantenposition vermeiden? Eine Kante oder ein Innenquadrat nehmen? Eine Kante frontal oder schräg nehmen? Zu viele Randquadrate nehmen oder zu wenig? Ein Randfeld neben der gegnerischen Scheibe oder vom Gegner weg nehmen? Wir haben gesehen, dass die Antwort auf diese Fragen unbefriedigend ist: Es kommt darauf an. In diesem Abschnitt werden die für diese Entscheidungen relevanten Aspekte detailliert beschrieben. Danach wird Erfahrung der beste Lehrer sein.

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